BFH, Pressemitteilung Nr. 26/17 vom 19.04.2017 zum Urteil III R 9/16 vom 22.02.2017

Leitsatz

  • Nicht jeder nur in den Abendstunden oder an Wochenenden nutzbare Schreibtischarbeitsplatz in einem Praxisraum steht zwangsläufig als ein „anderer Arbeitsplatz“ i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG zur Verfügung.
  • Die Feststellung, ob ein selbständig Tätiger einen Arbeitsplatz in seiner Praxis in dem konkret erforderlichen Umfang und in der konkret erforderlichen Art und Weise zumutbar nutzen kann, hat das FG im Rahmen einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände des Einzelfalls zu treffen.
  • Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes selbst (Größe, Lage und Ausstattung etc.) als auch aus den Rahmenbedingungen der Nutzung (Ausgestaltung der Nutzung der Betriebsräume, Verfügbarkeit des Arbeitsplatzes, zumutbare Möglichkeit der Einrichtung eines außerhäuslichen Arbeitsplatzes) ergeben.

Nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes besteht ein Abzugsverbot für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer; dieses gilt allerdings dann nicht, „wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht“ (Satz 2). Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Urteil vom 22. Februar 2017 III R 9/16 entschieden, dass bei einem Selbständigen nicht jeder Schreibtischarbeitsplatz in seinen Betriebsräumen zwangsläufig einen solchen zumutbaren „anderen Arbeitsplatz“ darstellt.

Im Urteilsfall war der als Logopäde selbständig tätige Kläger in zwei Praxen in angemieteten Räumen tätig, die weit überwiegend von seinen vier Angestellten genutzt wurden. Für Verwaltungsarbeiten nutzte er ein häusliches Arbeitszimmer. Das Finanzgericht (FG) gelangte aufgrund einer Würdigung der konkreten Umstände zu der Auffassung, dass eine Erledigung der Büroarbeiten in den Praxisräumen – auch außerhalb der Öffnungszeiten – nicht zumutbar sei, sodass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer begrenzt (Höchstbetrag: 1.250 Euro) abzugsfähig seien.

Dem folgte der BFH. Soweit die Nutzung des Arbeitsplatzes in einer Weise eingeschränkt ist, dass der Steuerpflichtige in seinem häuslichen Arbeitszimmer einen nicht unerheblichen Teil seiner beruflichen oder betrieblichen Tätigkeit verrichten muss, kommt das Abzugsverbot nach seinem Sinn und Zweck nicht zum Tragen. Auch der selbständig Tätige kann daher auf ein (zusätzliches) häusliches Arbeitszimmer angewiesen sein. Ob dies der Fall ist, muss die Tatsacheninstanz (das FG) anhand objektiver Umstände des Einzelfalls klären. Anhaltspunkte können sich sowohl aus der Beschaffenheit des Arbeitsplatzes (Größe, Lage, Ausstattung) als auch aus den Rahmenbedingungen seiner Nutzung (Umfang der Nutzungsmöglichkeit, Zugang zum Gebäude, zumutbare Möglichkeit der Einrichtung eines außerhäuslichen Arbeitszimmers) ergeben. Im Streitfall ergab sich aus den tatsächlichen Gegebenheiten (Nutzung der Räume durch die Angestellten, Tätigkeit des Klägers außerhalb der Praxis, die Größe, die Ausstattung, die konkrete Nutzung der Praxisräume durch die vier Angestellten, Vertraulichkeit der für die Bürotätigkeit erforderlichen Unterlagen und den Umfang der Büro- und Verwaltungstätigkeiten) eine Unzumutbarkeit der Nutzung der Praxisräume als außerhäusliches Arbeitszimmer.

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Quelle: BFH